Mittwoch, 15. Februar 2012

Reign of Terror


Was ist den letzten Jahren so unter das Stichwort "Noise Pop" gefallen ist, ließ sich in der Regel auf einen sehr spezifischen Sound reduzieren. The Pains of Being Pure At Heart, Best Coast, The Raveonettes, Crystal Stilts, Vivian Girls, Dum Dum Girls - sie alle waren letztendlich Teil eines C-86-Revivals, das auf die schrammeligen Anfänge des britischen Indie zurückgriff. Zum Teil schweifte das manchmal auch in shoegazigere Richtungen, wie bei A Place To Bury Strangers, The Horrors und Asobi Seksu - im Großen und Ganzen war das alles jedoch eine recht kohärente Einheitssuppe.

Dann kamen vor einigen Jahren die Sleigh Bells  ins Haus geflattert - zunächst mit einer selbstbetitelten EP, im Mai 2010 dann mit dem Ausnahme-Album Treats. Das Duo aus Brooklyn ging auf der Platte einen anderen Weg als ihre Mitstreiter, speiste ihren Noise-Teil vielmehr aus lärmenden Hard Rock-Riffs und übersteuernden Drum-Computern, als aus striktem Gitarren-Reverb. Der Pop der Sleigh Bells war weniger der typische, Smiths-artige Jangle-Twee, als klassischer 60er Jahre Girl Group-Flavor. Auf Treats traf Deep Purple auf "Hollaback Girl". Shit, Tracks wie "Kids" und "Crown On the Ground" waren sowas wie "Ante Up" in der Cheerleader-Version.


Aus so einem Stoff werden natürlich gerne Feuilleton-Helden gestrickt. Ihre packenden Live-Shows (am 7.3. spielen sie übrigens im Festsaal Kreuzberg) sorgten dafür, dass die Sleigh Bells auch nach Treats noch im Gespräch blieben und jetzt streamt die Website der New York Times exklusiv ihr neues Album. Sophomore-Fail vorprogrammiert, oder?

Nee man. Die Sleigh Bells machen noch immer Noise Pop, wie ihn sonst keiner macht - auch nicht die Sleigh Bells. Reign of Terror ist gitarrenlastiger als der Vorgänger, die Lunchroom-Table-Beats machen in der Regel Platz für aggressivere Rhythmen. Die Songs sind ausgereifter und gehen meist über die skizzenhaften Ansätze, die auf Treats noch zu finden waren, hinaus. Zwar gibt es auf der Platte weniger intuitive Ohrwürmer, wie es "Rill Rill" beispielweise gewesen ist, aber die Kluft zwischen bitterbösen Headbanger-Riffs und zuckersüßen Säusel-Melodien ist klaffender denn je. Mehr Metal (darf man das Metal nennen?), mehr ambitionierter Pop. Die Sleigh Bells zimmern sich ein weiteres Mal ihre ganz eigene Konstruktion aus den Bausteinen "Noise" und Pop".


Das komplette Album gibt es hier im Stream.

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