Empörte Beschwerden der Obrigkeit sind in der Regel verlässliche Hinweise auf qualitativ hochwertige Musik. Ähnlich wie der offizielle Appell des FBI an Priority Records im Jahr 1989, doch bitte endlich diesen "Fuck Tha Police"-Spuk zu beenden (übrigens das einzige Mal in ihrer Geschichte, dass sich die Feds zu einem kulturellen Produkt äußerten), zeugt auch der Beef, den der damalige Vizepräsident Spiro Agnew mit Eugene McDaniels' Headless Heroes of the Apocalypse hatte, von dem enormen subversiven Potential der betroffenen Platte.
McDaniels war in den 60er Jahren eine der zahlreichen Milchkühe der Plattenindustrie gewesen und bescherte durch eine Reihe von Hits dem einen oder anderen Labelcracker einen dicken Geldbeutel. Nach der Ermordung von Martin Luther King entschloss sich der Sänger dazu, seinem Geburtsland den Rücken zu kehren und wanderte nach Skandinavien aus, um dort weiter Songs zu schreiben.
Mit seinen neuen, radikalisierten Erzeugnissen im Schlepptau, begab sich McDaniels drei Jahre später zurück unter Uncle Sams Fittiche, landete einen Deal bei Ahmet Ertoguns Independent-Giganten Atlantic Records und veröffentlichte das kontroverseste Material seiner Karriere. Bereits vor seiner Rückkehr in die Staaten erschien im Jahr 1970 das Folk Rock-lastige und zutiefst zynische Political Soul-Album Outlaw, für das der unvergleichliche Ron Carter den Bass einspielte und was Brother Eugenes auflehnende Haltung ein erstes Mal unter Beweis stellte.
"Welfare City"
Im Folgejahr setzte er mit Headless Heroes of the Apocalypse noch einen drauf. Nixons Butt-Buddy Agnew fühlte sich daraufhin dazu genötigt, einzuschreiten. Er bat Ertogun darum (vermutlich höflich, doch bestimmt - wie man das eben so macht als Vizepräsident), die Verbreitung des Tonträgers einzustellen.
Und hey, irgendwie kann man die Beweggründe des armen Mannes ja verstehen. Schließlich stampft Headless Heroes of the Apocalypse das amerikanische System in Grund und Boden, zieht den Stecker aus dem American Dream-Simulator. "The Lord Is Back" legt gleich zu Beginn die Perversion des religiösen Deckmantels auf, den man in Washington seit Ewigkeiten dazu missbraucht, andere Länder zu puritanischem Kapitalismus zu bekehren. Ähnlich entlarvt auch "Headless Hero" die Großkotz-Nation als den unauffällig auffälligen Strippenzieher hinter einem Großteil der globalen Konflikte. "Nobody knows who the enemy is 'cause he never goes in hiding". Prägnante Worte.
"The Lord Is Back"
"Jagger the Dagger" ist ein Angriff auf die Aneignung schwarzen Kulturguts, die sich wie ein roter Faden durch die weiße Popgeschichte zieht und die im pseudo-innovativen Blues-Rock der Rolling Stones einen ihrer traurigen Höhepunkte erreichte. Und ja, das Sample sollte Hip Hop-Hörern geläufig sein. Gravediggaz und Organized Konfusion lassen grüßen. Dass es sich bei Headless Heroes um einen wahren "digger's favorite" handelt, kommt übrigens auch durch Questloves Bewunderung der Platte zum Ausdruck.
Einen willkommenen musikalischen Aufheller erhält das Album auf "Susan Jane", wo McDaniels wohl nicht ganz ironiefrei die Beatles in ihren unverkopfteren Momenten channelt und auf die "rebels without a cause"-Attitüde verdrogter weißer Hippie-Kids eingeht.
"Susan Jane"
"Freedom Death Dance" wiederum schneidet das Problem an, dass politischer Protest oftmals zum Scheitern verurteilt ist - was man am ACTA-Demo-Tag zwar nicht unbedingt hören will, aber leider zur bitteren Realität gehört. "Supermarket Blues" ist Kapitalismus-Kritik der kreativen Sorte (erinnernd and Ginsbergs "Supermarket in California") und den krönenden Abschluss liefert "Parasite". Amerikanische Eroberungsgeschichte mal anders erzählt. Can you guess who's the parasite is in this scenario?
"Supermarket Blues"
Über ein Album, das so viel zu erzählen hat und sich dabei trotzdem auch entspannt anhören lässt, stolpert man selten. Go grab this!
Eugene McDaniels verstarb im Juli des vergangenen Jahres im Alter von 76 Jahren.
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